„Froh zu sein, bedarf es wenig….“

„Froh zu sein, bedarf es wenig…“ – würdest du dieser Aussage zustimmen? Wenn man sich heute umsieht in den Medien, der Werbung etc, braucht es da nicht sogar sehr viel um froh zu sein? Kann man froh sein ohne tolles Auto, Urlaub, tolle Klamotten? Braucht man nicht tolle Häuser mit angesagter Inneneinrichtung? Und Kreuzfahrten mehrmals im Jahr? Und geile Partys mit Alkohol am Wochenende? Was brauchst du um froh zu sein?

Auf dem Bild siehst du meinen Großvater väterlicherseits. Und dieses Zitat hat viel mit ihm zu tun.

Es ist ein Liedchen, ein Kanon, was meine Großeltern sehr gerne gesungen haben.

„Froh zu sein bedarf es wenig und wer froh ist, ist ein König.“

Mein Opa mochte Musik. Aber er spielte die große Tuba im Posaunenchor sicher nicht zufällig, denn auch sonst lagen ihm eher die dunklen, schwere Töne. Ich bin geboren, da wurde er 50 Jahre alt und ich durfte noch 32 Jahre mit ihm verbringen und wenn ich ihn in die 4 Temperamente einordnen sollte, würde ich sagen, dass er ein cholerischer Melancholiker war.

Die Fröhlichkeit war ihm nicht in die Wiege gelegt, meiner Großmutter dafür umso mehr. Mein Opa kämpfte schon als Schulkind gegen heftige depressive Verstimmungen an. Und in der Schule begegnete ihm auch die Person, die ihm helfen konnte. Seine Lehrerin war damals selbst noch ein sehr junges Mädchen und sie bemerkte seine große Not. Das hat er ihr nie vergessen.

Sie zeigte ihm Lösungen um die schwarzen Wolken seiner Seele loszuwerden. Es sind einfache Lösungen, die seit Jahrtausenden bekannt sind und die er seitdem immer wieder anwandte. Er war dieser Lehrerin so dankbar und auch ich durfte sie noch kennenlernen. Was also hat sie ihn gelehrt?

Dankbarkeit und der Blick auf den anderen. Bei meiner Oma hieß es oft:

„Danken schützt vor Wanken und loben zieht nach oben.“

Und mein Opa hatte ein weiteres Liedchen, was er oft sang:

„Der hat sein Leben am Besten verbracht, der die meisten Menschen hat froh gemacht.“

So sehen wir ihn auf dem Bild: einem anderen Menschen zugewandt, in herzlicher Umarmung und Freude.

Was sind heute die Rezepte gegen die Traurigkeit? Ein Kunde erzählte mir letzte Woche, dass sein Arzt zu ihm gesagt habe: „Sie haben doch genug Geld, fliegen Sie doch mal in die Sonne.“ Er flog – und kam genauso unglücklich zurück.

Warum setzten wir heute mehr und mehr auf materielle Dinge, die das Herz leer und kalt zurücklassen? Haben wir noch nicht erkannt, was unsere Seele braucht?

Wer jetzt den Winterurlaub genießt, genießt doch das Zusammensein mit Anderen, die Dankbarkeit über Schnee und Sonnenschein.

Aber müssen wir dazu unbedingt weit weg?

„…und wer froh ist, ist ein König.“ Das Problem hierbei ist, dass dieses Lied einen Kreislauf beschreibt. Wer nicht froh und willens ist das Gute zu sehen, der wird es auch nicht sehen und absolut nichts davon haben – egal, was er hat. Wer sich freuen möchte und kann, der ist ein König – der hat eine Position erreicht, die immer wieder neue Freude hervorsprudeln lässt.

Letztens habe ich für einen Menschen aus meinem familiären Umfeld sehr viel getan. Er hatte einige spezielle Wünsche, die nicht sehr leicht umzusetzen waren und von mir und meinem Mann einiges an Selbstlosigkeit erforderten. Aber wir hatten es geschafft alle diese Wünsche, mit Hilfe anderer Menschen, die ich mit ins Boot geholt hatte, zu erfüllen. Ich freute mich darüber und auf den Termin, an dem er all diese Wünsche erfüllt bekommt. Ich hatte noch ein schönes Buch gefunden, was zu seinen Interessen passte und freute mich sehr darauf es ihm zu geben.

Als wir uns trafen, war er total mies drauf und nur am jammern. Ein Wort des Dankes gab es nicht, dafür eine lange und wiederholte Litanei, wie lieblos alle wären und wie furchtbar der Umgang untereinander geworden wäre. Er sah nicht das Gute, sah nicht die Mühe, sah die Liebe gar nicht – selbst als sie ihm auf einem Silbertablett serviert wurde.

Geht es uns vielleicht allen manchmal so, dass wir all das Gute in unserem Leben nicht bemerken?

Sind es wirklich unsere Umstände, die bestimmen, ob wir uns freuen können oder nicht? Oder ist es nicht viel größere Freude sich freuen zu können, auch wenn die Umstände nicht ideal sind?!

Ich möchte dir meinen SOS – Plan verraten, wenn ich traurig oder besorgt bin:

  1. „Lobe den Herrn meine Seele und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.“ Psalm 103 Ich erinnere mich an Situationen, die ähnlich waren und aus denen mir Gott auch schon geholfen hat. Was ebenso gut hilft, ist Situationen der Vorfahren zu kennen und zu wissen, dass sie Hilfe erfahren haben.
  2. Dankbarkeit – Ich richte meinen Blick speziell auf das, was gut ist in meinem Leben. Ich schreibe fast jeden Abend eine Din A5 Seite voll mit dem, was gut lief und wofür ich dankbar bin. Bin ich einmal im Fluss, fallen mir noch viel mehr Dinge ein und oft fällt es mir schwer aufzuhören. Mein Blick ist geschärft für das, was toll ist und nicht, wie sonst: für das, was nicht gut ist.
  3. Andere Menschen- ich denke an Menschen, die es viel schwerer haben als ich. Wem kann ich heute helfen? Wen kann ich aufbauen, ermutigen? Für wen kann ich heute etwas Licht in den Tag zaubern? Für wen soll ich beten? Wen überraschen?

Mein Opa liebte es andere Menschen zu überraschen, er spielte auch gerne mal einen kleinen Streich. Er liebte es Kindern Freude zu machen.

Opa nutzte sein Instrument um Musik zu machen und damit Freude zu bringen. Aber nicht nur durch die Musik. Auf diesem Bild siehst du mich in Opas Tiefbass. Ich bin ca 3 Jahre alt und freue mich riesig darüber. Worüber Kinder sich so freuen….

Aber wie viele Gelegenheiten zur Freude verpassen wir vielleicht täglich, weil wir gar keine Ausschau danach halten? Weil wir das Kind in uns, was Spaß sucht, längst mundtot gemacht haben?

Eins der Dinge, die ich am Judentum so liebe ist, dass es uns dabei helfen kann, viel weniger tolle Momente in unserem Leben zu verpassen. Es ist quasi wie der Vorläufer der Achtsamkeit. Es läuft so: ich bemerke einen Regenbogen – es gibt einen Segen um Gott dafür zu danken. Ich sehe einen blühenden Obstbaum – es gibt einen Segen um Gott dafür zu danken. Ich habe Essen auf dem Tisch – ich danke Gott. Ich bin satt geworden – ich danke Gott. Selbst wenn ich auf der Toilette war, gibt es einen Segen um Gott zu danken, dass unsere Organe alle funktionieren. Ich wache morgens auf – dafür gibt es einen Segen, (das sogenannte Modeh Ani) und damit stelle ich mich quasi gleich nach dem Aufwachen auf die Sequenz der Dankbarkeit ein. Ich programmiere mich regelmäßig neu auf Dankbarkeit – ein absoluter Game changer für mich!

Wenn ich das nicht tue, verläuft mein Tag ganz anders. Ich sehe dann so vieles, was mir nicht gefällt, ich entdecke viele Freuden gar nicht, weil ich wie mit Scheuklappen durch den Tag laufe. Wieviel nehmen wir jeden Tag selbstverständlich hin? Von unseren Mitmenschen, aber vor allem auch von Gott. Ist es nicht so: wenn wir an die Dinge denken, die wir nicht haben, aber gebrauchen könnten (von brauchen kann man ja meistens nicht einmal reden), dann werden wir grummelig und missmutig. Wenn wir uns aber an all den Dingen freuen, die wir haben, und dankbar dafür sind, dann kommen wir in eine tolle Stimmung!

Sind viele Kinder und Jugendliche heute so unglücklich, weil sie niemand die Kunst der Dankbarkeit lehrt?

Ich wünsche dir heute einen frohen Tag voller schöner Momente. Ich wünsche dir, dass du offene Augen hast für die Schönheit um dich her und für die Menschen, die ein Lächeln, ein liebes Wort, eine Umarmung brauchen.

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