Die Magie der Dankbarkeit…

Kannst du dich an deine Abschlußfahrt erinnern? Die letzte Klassenfahrt der Schulzeit ist doch irgendwie etwas ganz Besonderes. Ich kann mich noch sehr gut erinnern an unsere Reise nach Nürnberg, die Jugendherberge dort und den netten Vater, der uns begleitete. An die kleine Disco, die wir abends veranstalteten, all das ist 30 Jahre her. Es sind besondere Momente im Leben, die uns in Erinnerung bleiben.

Letzte Woche war es für Kind Nummer 3 so weit. Die schriftlichen Prüfungen sind geschafft und es ging zur Abschlußfahrt nach Hamburg. Zeitlich lag eine Fahrt eigentlich gar nicht drin. Das Schuljahr ist in unserem Bundesland in diesem Jahr so kurz, dass wenig Zeit zwischen den Prüfungen blieb. Es sei denn….die Lehrer verzichten auf ihren freien Tag am 1. Mai. Und das taten sie tatsächlich. Drei Lehrer fuhren mit zwei Klassen los, verzichteten auf ihren Feiertag um den Kindern dieses besondere Erlebnis zu ermöglichen.

Bereits am ersten Morgen nach den Ankunft schrieb mein Kind mir, dass es Probleme mit Alkohol und Drogen gegeben habe, ich mir aber keine Sorgen machen solle, tat ich nicht – ich kenne ja mein Kind. Am Morgen darauf schrieb allerdings der Schulleiter, dass die Probleme derart ausgeufert seien, dass die Jugendherberge eine weitere Übernachtung der beiden Klassen ablehnt. Und wahrscheinlich der Abbruch der Fahrt bevorsteht, wir die Kinder nach Hause holen müssen.

Der Klassenleiter unseres Sohnes setzte sich dann derart für die Kinder ein, dass die Jugendherberge einem Kompromiss zustimmte: die Schüler, die die Regeln missachtet hatten mussten sofort abreisen, die anderen konnten die Klassenfahrt fortsetzen.

Die Übernachtungsbedingungen in der Jugendherberge waren etwas ungünstig. Die Klassen waren verteilt auf mehrere Etagen untergebracht, teilweise in 8 – Bett – Zimmern. Einige in der zweiten Etage, andere im Keller. Wie sollen drei Lehrer da die Aufsicht führen? Ein Ding der Unmöglichkeit! Zu dritt ca 50 Schüler beaufsichtigen, die im ganzen Haus verteilt sind und dank Karl Lauterbachs Gesetzen gut ausgestattet sind mit Substanzen aller Art.

Der Direktor erzählte mir, dass der Klassenleiter insgesamt ca 4 Stunden Schlaf hatte – in der gesamten Woche. Und auch dieser Schlaf wird sicher nicht erholsam gewesen sein.

Am Donnerstag Abend bekam ich im Elternchat der Klasse ein Foto zugeschickt, worauf Kinder und Lehrpersonal abgebildet waren. Ich hatte gerade meine Spätschicht beendet, schickte das Foto auf dem Weg zum Auto in unseren Familienchat und zoomte mir schnell mein Kind heran, um zu sehen, wie es ihm geht.

Der hatte sich nämlich nur recht knapp und sporadisch gemeldet. Bei ihm ist alles in Ordnung, ihm gehts gut… Andere hatten angerufen und sich beschwert über Zimmer und Wäsche und Bad auf dem Flur. Er nicht. Erst als er wieder zu Hause war, erfuhr ich, dass auch er im 8 – Bett – Zimmer untergebracht war. Das Kind hat kein Talent Probleme zu schaffen und zu suchen! In seiner Prüfungswoche hatte er uns erst mit seiner neuesten Erkenntnis beglückt: Stress gibt es gar nicht. Den macht sich jeder selbst.

Ich war mit der Begutachtung meines Kindes jedenfalls zufrieden, stieg ins Auto und fuhr nach Hause.

Dort erwartete mich der aufmerksamste Ehemann von allen. Er hatte nicht in typischer Mutter – Manier den Tunnelblick aufs eigene Kind gehabt. Er hatte sich einen Überblick über die Gesamtsituation verschafft und schrieb in unseren Familienchat: „Der Lehrer ist doch gut gelaunt.“ Das Kind schrieb zurück: „Ja, er versucht seine gute Laune zu behalten.“

Das beschäftigte mich sehr. Ich versuchte mich in die Lage der Lehrer hineinzuversetzen, die ein Opfer gebracht hatten für die Kinder, so enttäuscht worden waren, unter Schlafmangel litten und doch Frust und Erschöpfung eben nicht an den Kindern ausließen, sondern versuchten fröhlich und gut gelaunt zu sein, damit die Kinder diese einmalige Zeit in ihrem Leben genießen konnten.

Das beeindruckte mich sehr. Ich hatte mehrere Fragen:

  1. Hätte ich das gekonnt? Hätte ich das überhaupt gewollt?
  2. Wie kann man so etwas jemals wieder gut machen?

Ich sprach mit einer Freundin darüber, die dazu gute Gedanken hatte.

Sie meinte, dass man Dinge vielleicht nicht wirklich gut machen kann, indem man es dem Sender des Guten zurückgibt. Vielleicht macht man es in anderem Kontext wieder gut, meinte sie. Vielleicht gibst du es heute nachmittag auf Arbeit weiter, meinte sie. Du versorgst die Alten, die auch nichts mehr zurückgeben können. Oder man gibt es seinen eigenen Kindern weiter, die dann wieder den Segen empfangener Liebe ausstrahlen.

Das ist ein interessanter Gedanke. Haben wir nicht oft das Gegenteil erlebt? Verletzte Menschen verletzen andere.

Kinder, die andere mobben und drangsalieren, erleben das oft zu Hause. Sie werden zu Hause angeschrien und runtergemacht und eben nicht mit Wertschätzung und Liebe behandelt.

Was wäre, wenn wir diesen Dominoeffekt der Dankbarkeit, der Liebe in Gang setzen würden?

„Keine Pflicht ist dringender, als die des Dankens.“ Ambrosius

Wie würde unsere Welt aussehen, wenn es uns gelänge das so weiterzugeben?

Hier gibt es zwei Hindernisse: wir müssen das Gute erst einmal sehen! Auch darüber habe ich schon geschrieben. Ich denke immer noch an ein Ereignis im vorigen Jahr, wo ich viel Mühe und Aufwand für einen nahen Verwandten hatte um ihm Wünsche zu erfüllen. ich hatte Auslagen und Ausgaben und habe Zeit investiert, damit alles klappt und er sitzt mir dann gegenüber ohne ein Wort des Dankes und klagt darüber, dass es keine Liebe mehr unter den Menschen gibt. Doch, es gibt sie! Wir haben nur den Blick dafür verloren!!

„Es ist besser, beim Aufzählen aller guten Dinge den Faden zu verlieren, als das Gute zu verlieren, während man mit dem Aufzählen seiner Probleme beschäftigt ist.“ M.D. Babcock

Wir haben den Blick nämlich auf etwas anderes gerichtet: auf Probleme. Ich schrieb schon, dass mein Sohn kein Talent dafür hat das zu sehen. Natürlich war es heiß im Obergeschoss der Jugendherberge, in einem 8- Bett – Zimmer, wo man die Fenster nicht richtig öffnen kann. Natürlich ist es laut. Gut, durch unsere nicht ganz kleine Familie ist er einiges mehr gewöhnt, als ein Einzelkind. Aber wenn die Bettwäsche schmutzig ist, erwarte ich von einem 16jährigen doch nicht, dass er mich anruft, sondern das er das Problem vor Ort löst. Sind wir es heute gewöhnt nur noch Probleme zu sehen? Sind wir es heute gewöhnt diese Probleme nur zu beklagen, anstatt nach Lösungen zu suchen?

„Denken Sie über das Gute nach, das Ihnen gerade widerfährt, wovon jeder mehr als genug hat, und nicht über vergangene Missgeschicke, von denen jeder nur ein paar hat.“ Charles Dickens

Was haben wir unsere Kinder gelehrt? Wir leben in gefährlichen Zeiten. Gefährlich deshalb, weil es uns zu gut geht. Die Ansprüche steigen. So gibt es tatsächlich Eltern, die von der Schule das Geld zurück verlangen für die Klassenfahrt. Das 8 – Bett – Zimmer ist für den Nachwuchs unzumutbar gewesen. Der Blick ist nur gerichtet auf: was steht mir zu, was kann ich verlangen, was ist mein Recht…ich, ich ich…

Ich habe letztens eine Nachricht bekommen, die mich erstmal sprachlos gemacht hat. Wir hatten mit einer nahestehenden, erwachsenen Person mehrfach abgesprochen, dass es Dinge gibt, die sie tut, die uns verletzen. Wir haben Grenzen festgelegt, in jahrelanger und mühvoller Diskussion, endlich eine Einigung erzielt. Sie übertrat diese Grenzen und schrieb dann auch noch, dass sie tut, was ihr gut tut und wie ich es wagen könne sie zu kritisieren, es wäre doch für sie alles so schön gewesen.

Dieser Egotrip macht unsere Gesellschaft krank. Unsere Freiheit endet dort, wo sie andere verletzt. Das ist doch das mindeste, was gesellschaftlichen Konsens ausmachen sollte. Wenn wir diesen Grundsatz nicht als Grundlage sehen, dann hat Beziehung keine Zukunft. Natürlich sind gewisse Drogen jetzt legal, aber eben nicht überall und es gibt Regeln, die ich einhalten muss, wenn Zusammenleben oder Beziehung möglich sein soll. Wenn wir das als Erwachsenen nicht vorleben, wie sollen nachfolgende Generationen das dann sehen?

Das ist die unterste Stufe der menschlichen Entwicklung. Wir sehen nur uns, treten andere Menschen und ihre Bedürfnisse mit Füßen, verhalten uns wie unreife Jugendliche, die ihren Spaß haben wollen und denen andere Menschen völlig egal ist. Den Jugendlichen war egal, ob andere Nachtruhe wollten, sie wollten schließlich Spaß. Den Jugendlichen war egal, dass man in gewissen Zonen nicht kiffen darf. Das Gras ist legal (zumindest für die, die schon 18 waren) und sie wollen es jetzt. Wer will da so frech sein, das zu verbieten? Genauso wie die Person, die meine Grenzen überschreitet, Probleme verursacht und das mit ihrer Freude begründet. Stehengeblieben auf der Stufe unreifer Jugendlicher oder noch schlimmer: Ein Baby schreit, wenn es Hunger hat und Langeweile oder eine frische Windel braucht. Dem Baby ist es egal, ob die Mutter Schlaf braucht oder nicht. Schaffen wir es in der Erziehung unsere Kinder aus diesem Stadium herauszuholen? Schaffen wir es, dass sie irgendwann in der Lage sind, andere zu sehen? Mehr und mehr entstehen in unserer Zeit Narzissten, die dazu nicht in der Lage sind. Die sich als den Nabel der Welt sehen, denen jedes Mittel recht ist und deren Wünschen sich alles zu fügen hat.

Die nächste Stufe der Entwicklung sieht andere Bedürfnisse und ist in der Lage Rücksicht zu nehmen. Es ist das Bild eines Kindes, was bei Tisch sitzen kann und wartet bis alle anderen fertig sind. Es ist das Bild eines Schulkindes, was mithilft und seinen Beitrag leistet in der Familie. Aber es nimmt alles Gute als selbstverständlich hin. Es sieht es als selbstverständlich an, dass für jeden Wachstumsschub genug Kleidung da ist. Es will immer Essen, das ihm schmeckt. Selbstverständlich, dass es schöne Ausflüge und Urlaube und alles gibt, was das Herz begehrt. Für ein Kind ist diese Entwicklungsstufe normal! Aber wir sollten dem irgendwann entwachsen.

Die nächste Stufe ist das Erleben, dass Ressourcen und Kraft begrenzt sind auf dieser Welt. Daraus erwächst dann hoffentlich Dankbarkeit. Dankbarkeit für alles, was ich habe an Wohnraum, an Kleidung, an Fahrzeugen, an materiellem Segen. An sauberem Trinkwasser, an Haushaltsgeräten, die mir das Leben erleichtern.

„Wenn wir unsere Dankbarkeit zum Ausdruck bringen wollen, dürfen wir niemals vergessen, dass höchste Wertschätzung sich nicht nur in Worten ausdrückt, sondern darin, dass wir nach diesen Worten leben.“ John F. Kennedy 35. Präsident der Vereinigten Staaten

Dann ist es oft nur noch ein kleiner Schritt und wir sind dankbar für Menschen. Wir sind dankbar für Menschen, die sich Zeit nehmen. Menschen, die ihre Feiertage opfern. Menschen, die ihre Nachtruhe opfern. Menschen, die an mich denken. Menschen, die ihre Lebenszeit in den Dienst der Gesellschaft stellen.

„Nur, wenn unsere Herzen sich unserer Schätze bewusst sind, kann man sagen, dass wir lebendig sind.“ Thornton Wilder, Schriftsteller

Und schließlich kommen wir zur Quelle all dessen. Bodo Schäfer schreibt in seinem Buch „Die Gesetze der Gewinner“:

„Viele Menschen tun sich heute schwer, an eine überragende Intelligenz zu glauben. Aber auch sie sind gut beraten, sich der Praktiken zu bedienen, die Ruhe und Frieden schenken. Ganz gleich, welchen Glauben oder welche Welteinstellung ein Mensch haben mag, etwas davon kann jeder zu einem Bestandteil seines Lebens machen. Und es wird langfristig kaum durch etwas anderes zu ersetzen sein.“

Bodo Schäfer meint Gebet, Verbindung zu der Quelle allen Lebens. Er meint das Zur- Ruhe- kommen und anerkennen, dass ich nicht alles in meinem Leben im Griff habe und unter Kontrolle und die Dankbarkeit gegenüber dem, der mir nicht nur das Leben sondern soviel mehr geschenkt hat.

Es gibt ein Zitat von Henry Jowett, einem Geistlichen aus dem 19. Jhd., was ich sehr treffend finde.

„Dankbarkeit ist ein Impfstoff, ein Gegengift, ein Antiseptikum.“

Wir werden vergiftet, es gibt gefährliche Bakterien in unserem Leben, das ist die Unzufriedenheit, das Anspruchsdenken, Gutes gedankenlos hinnehmen… Es ist absolut notwendig, dass wir das Gegengift benutzen! Sonst werden wir schwer krank! Dankbarkeit ist kein nice-to-have. Es ist lebensnotwendig für uns, für unsere Familie und für die Welt. Unser Miteinander ist vergiftet, weil wir blind sind für das, was andere für uns tun. Wir sind vergiftet, weil wir anspruchsvoll werden und mürrisch.

Leo Tolstoi sagte: „Die meisten Menschen, die man böse nennt, wurden deshalb so, weil sie ihre schlechte Laune für einen berechtigten Zustand ansahen.“

Ich habe ein Recht darauf sauer zu sein, ich habe ein Recht darauf zu trauern, ich habe ein Recht… und andere sind egal. Das ist der Weg zu wahrer Bosheit. Und das Gegengift ist allein Dankbarkeit.

Ich habe oft die Auswahl der Bücher beklagt, die in der Schule gelesen werden sollten und mich ab und zu auch verweigert. Was lernen meine Kinder durch Horror und Vampirgeschichten?

Es gibt tolle Kinderbücher! Ein Klassiker, den ich meine Kinder lesen ließ und den auch Disney verfilmte, war „Pollyanna“. Pollyanna ist ein Mädchen, was durchaus Schweres im Leben erlebt hat. Sie spielt aber ein Spiel, namens „Glad Game“. Sie sucht täglich nach schönen Dingen, über die sie sich freuen kann und die sie glücklich machen. Wenn wir diese Fähigkeit unseren Kindern beibringen könnten, würde nicht nur ihr eigenes Leben viel froher und bunter.

„Ein dankbares Herz feiert immer ein Fest.“ sagt W.J. Cameron. Aber er hat dieses Zitat aus der Bibel „geklaut“. Dort heißt es nämlich:

„Wer bedrückt ist (nach Problemen sucht, anspruchsvoll ist, nur seinen Vorteil sucht, egoistisch ist, …) hat lauter böse Tage, wer aber ein frohes Herz hat (dankbar ist, andere unterstützt und ermutigt, Schönes feiert, teilt und mitfühlt) feiert ständig.“ Sprüche 15, 15

Dankbarkeit ist eine starke Energie. Sie wird unser Leben verändern. Nutzen wir doch dieses Gegengift reichlich!

Ich habe mir übrigens etwas überlegt, wie ich den Lehrern danken kann;)

Schreib mir deine Erfahrungen mit Dankbarkeit. Was hat sich bei dir geändert, welche Entwicklungsschritte konntest du machen? ich wünsche dir ganz viel Segen und Freude und Dankbarkeit.

Deine Christin

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